Den Liebhabern audiophiler Leckerbissen ist das Label Aeolus des Korschenbroicher Tonmeisters Christoph Martin Frommen ein Begriff. Aeolus steht für außergewöhnliche Programmgestaltung, interessante Interpreten, hochwertige Verarbeitung - kurzum: für ganz wunderbare Tonträger. Und so sind die drei vorliegenden CDs mit Orgelmusik Sigfrid Karg-Elerts nicht nur wichtige, sondern auch einfach sehr schöne Veröffentlichungen.
Die Organistin, Germanistin, Publizistin, Schulmusikerin und Musikwissenschaftlerin Elke Völker hat sich für ihre Einspielungen Karg-Elerts „Ultimate Organ Works" ausgesucht. Diese Überschrift gibt zunächst Rätsel auf. „Ultimate Organ Works" im Sinne von „Spätwerke" werden wohl kaum gemeint sein, schließlich stehen Kompositionen aus einer frühen Schaffensperiode (z.B. op. 73) neben solchen aus den letzten Lebensjahren des Komponisten (z.B. op. 143). Somit bedeutet „Ultimate" wahrscheinlich „endgültig" oder „ultimativ", womit die Werkauswahl allerdings angreifbar wird. Zwar sind „Sanctus" und „Pastorale" für Violine und Orgel (op. 48B) sowie die „geistlichen Gesänge" aus op. 66 ausgesprochen klangschöne Tonschöpfungen Karg-Elerts - aber wohl kaum „ultimative" Werke wie etwa die ebenfalls eingespielte Sinfonie fis-moll (op. 143). Doch genug der Wortklauberei.
Elke Völker hat mit der Wahl ihrer Instrumente eine glückliche Hand bewiesen. Über die Sauer-Orgel im Bremer Dom muss man kaum mehr schreiben; seit Abschluss der Restaurierungsarbeiten im Herbst 1996 entstanden dort zahlreiche Einspielungen, die von der Schönheit und vom Zauber dieser Orgel künden. Die 1912 erbaute Stahlhuth-Orgel der Martinskirche im luxemburgischen Dudelange ist allerdings noch ein Geheimtipp. Nach einer behutsamen Restaurierung durch die Firma Thomas Jann (Allkofen) präsentiert sich das viermanualige Instrument als orchestrales Meisterwerk. Neben einem vollständigen Gambenchor (vom 16' bis zurTerzgamba 1 3/5') berauschen zahlreiche Solostimmen sowie 23 (!) Zungenregister. Beide Orgeln -die Bremer und die Luxemburger - dürfen wohl als sehr gute bis perfekte Karg-Elert-Instrumente gelten.
Elke Völker ist unzweifelhaft eine begnadete Organistin. Technische Schwierigkeiten scheinen für sie kaum zu existieren, sie spielt hochvirtuos und anpackend. Dabei hat sie ganz klare Vorstellungen vom Aufbau der komplexen Kompositionen, entwickelt überzeugende Spannungsbögen und versieht die Stücke mit ihrer eigenen Signatur. Gelegentlich - und dies sei nicht verschwiegen - wirkt Völkers übermäßiges Tempo rubato etwas ermüdend. Den motorischen Passagen (beispielsweise in der Fuge des sinfonischen Chorals „Jesu, meine Freude") geht dann die Luft aus. Aber dies ist letztendlich eine Frage des Geschmacks, was auch für die recht indirekte Aufnahmesituation gelten mag.
Es ist Elke Völkers Verdienst, dass die vorliegenden CDs selten aufgeführte Werke in ihren Originalfassungen präsentieren. So gesellt sich am Ende der „Ersten sinfonischen Kanzone" (op. 85, 1) eine Trompete zur Orgel, der Epilog der „Dritten sinfonischen Kanzone" (op. 85, 3) wird gar von vier Frauenstimmen und einer Violine versüßt. Diese Klänge können süchtig machen!
Man könnte darüber hinaus über die geradezu luxuriös ausgestatteten Booklets ins Schwärmen geraten und das große Können der Solisten bewundern. Ich fasse mich kurz: Kaufen!
Oliver Hilmes