Klassik.com
Dr. Stefan Drees
Klassik.com-17-09-2005-3776
Ausgesprochen vielseitig ... ein hohes Maß an Lebendigkeit ... angenehm warmer und klarer Klang

Perlen aus dem 17. Jahrhundert

Ausgesprochen vielseitig nähert sich das Ensemble Theatrum Affectum der Musik von Nicola Matteis dem Älteren.

Dass die Musik der Geiger und Komponisten Nicola Matteis des Älteren (um 1644 bis vor 1695 oder 1703) und Nicola Matteis des Jüngere (um 1670 bis 1737) in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit gelangt ist, lässt sich nicht anders als erfreulich bewerten. Mit der neuen Produktion des Ensembles Theatrum Affectum liegt – nach einer Einspielung mit der Geigerin Hélène Schmitt und ihrem Ensemble (Alpha Productions, 2009) sowie einer fast gleichzeitig veröffentlichten Aufnahme der Geigerin Amandine Beyer und dem Ensemble Gli Incogniti (Zig-Zag Territoires, 2009) – nun eine weitere wunderbare Aufnahme vor, die sich anhand einer Auswahl von Werken des älteren Matteis diesem vielseitigen instrumentalen Repertoires annimmt. Dabei steht diesmal weniger die Musik als Ausdruck eines für die damalige Zeit beachtlichen Violinspiels im Mittelpunkt, sondern vielmehr der Versuch, die in mehreren Drucken überlieferten Stücke in den Dienst eines möglichst vielfältigen kammermusikalischen Musizierens zu stellen. Dies gelingt den fünf Musikern von Theatrum Affectum außerordentlich gut.

Grundlage der bei Aeolus erschienenen SACD sind suitenartige, an den Grundtonarten orientierte Anordnungen von Stücken, die vor allem den Hauptquellen, nämlich aus den 'Ayres for the Violin […] the Third and Fourth Parts' (London 1685) und deren später publizierter zweiter Stimme ('The Second Treble', London 1687), entnommen sind. Der hierbei entstehende Abwechslungsreichtum verdankt sich einerseits der geschickten Auswahl und Kombination von Einzelsätzen zu längeren oder kürzeren Einheiten, andererseits aber auch den gewählten Instrumentationsmöglichkeiten. Grundsätzlich steht das Duett zweier Melodiestimmen – vertreten durch Violine (Ayako Matsunaga) und Blockflöte (Andreas Böhlen) – im Mittelpunkt, während die Gestaltung des Basso continuo dem Violoncello als Bassinstrument (Pierre Augustin Lay) und der harmonischen Stütze von Theorbe/Gitarre (Giangiacomo Pinardi) und Cembalo/Orgel (Takashi Watanabe) anvertraut ist. Die hieraus resultierenden klanglichen Möglichkeiten werden ausgiebig und variabel genutzt, wobei als zusätzliche Kontraste gelegentlich weitere Stücke – so eine Solonummer aus Matteis’ Gitarrenschule Ausgesprochen vielseitig nähert sich das Ensemble Theatrum Affectum der Musik von Nicola Matteis dem Älteren.The False Consonances of Musick' (London 1682) als eine Art Ruhepunkt oder Volksweisen aus einer 'Collection of Old Cots Tunes' (Edinburgh 1742) – eingeschoben werden.

Über diese Grundlagen hinaus zeichnet sich der musikalische Ansatz von Theatrum Affectum durch ein hohes Maß an Lebendigkeit aus. Zu verdanken ist dies den Elementen aus der Praxis des Stegreifspiels, die immer wieder – wie die zahlreichen in dialogischem Wechselspiel von Blockflöte und Violine angebrachten Verzierungen – in den Vortrag einfließen. Besonders deutlich ist dies in den eingestreuten Variationsfolgen zu vernehmen, so im improvisatorisch anmutenden Beginn des 'Ground in D la sol rè per far la mano', dessen Variationsgrundlage, ein kurzes Ostinato, zunächst vom Cello gezupft und dann mit einer allmählich sich verfestigenden Cembaloharmonik ausgestaltet wird, bevor die Melodieinstrumente mit ihren Parts hinzutreten. Auch andere Lösungen, beispielsweise die rhythmisch elastische Umsetzung der tänzerischen Schlussstücke, die ausgeklügelte, vom unbegleiteten Vortrag ausgehende Anlage der Volksweisen oder die fein verästelte Rhetorik der langsamen Sätze, nehmen für diese Interpretation ein. Überzeugend sind schließlich auch der angenehm warme und klare Klang der Produktion und das ausgesprochen professionelle Booklet, das ausführlich über die Quellenlage und den Forschungsstand zu Matteis Auskunft gibt.