Klassik.com
Dr. Daniel Krause
Klassik.com-26-2-2009-2109
Eine veritable Sensation.

Walnuss und Libanon-Zeder

Der Star dieser Aufnahmen ist ein Cembalo – nicht irgendeines, sondern das ‚Vaudry’(1681) im Victoria & Albert Museum, London. Dort wird es, wie Ulrich Lorscheider, seines Zeichens Produzent, im Beiheft glaubhaft versichert, in der ‚Möbel-Abteilung’ geführt, ‘seiner wertvollen Dekoration wegen’. ‘Der wichtigste Teil der Zargen [...] ist aus Walnuss, die lange Wand und der Unterboden dagegen aus weicher Libanon-Zeder. Der Resonanzboden [aus Fichte] wurde mit Rosen, Anemonen und Tulpen, in Purpur, Rot, Weiß und Grün bemalt und enthält eine vergoldete dreidimensionale Rosette. Die Tasten aus Pappelholz sind mit Ebenholz belegt [...]. Die chromatischen Tasten sind aus massivem Elfenbein.’ Das Instrument wurde ‘mit Messing und Eisen besaitet’. Wie es aussieht – das ‚Vaudry’ scheint der Phantasie surrealistischer Maler entsprungen –, so klingt es. Auf dieser Platte kommt es erstmals seit Menschengedenken zu Gehör. Aeolus hat die allem Anschein nach einzige verfügbare Digitalaufnahme des Instruments produziert. Eine veritable Sensation.

Es kommt ein halbes Dutzend Suiten von Louis Couperin zu Gehör. Sie umfassen meist Prelude, Allemande, Courante, Sarabande und Passacaille, Chaconne oder Gigue. Bob van Asperen treibt die Satzcharaktere in wünschenswerter Deutlichkeit hervor, ohne die Kohärenz der Tempi zu gefährden. Er tritt zurück, schafft dem ‚Vaudry’ eine Bühne, seine atemverschlagende Obertonpracht zu entfalten, dies mit wohlgesetzten agogischen Freiheiten. Der Stimmton wurde, berichtet das Beiheft, auf den ‘altfranzösischen ton de chapelle von a’=392 Hz’ eingestellt. Auch dies trägt zur bizarren Exotik des Cembalos bei.

Nicht, dass van Asperens Verdienste gering zu schätzen seien. Er ist aus Gustav Leonhardts Schule hervorgegangen. Seit Jahr und Tag unterrichtet er Cembalo am Konservatorium Amsterdams, seiner Heimatstadt, und zählt zu den Koryphäen der Zunft. Im selbst verfassten Beihefttext gibt er glaubhaft und detailliert Rechenschaft über alle Gesichtspunkte der Interpretation, bis hin zu instrumententechnischen Details.

Aeolus (Neuss) zählt zu den seltenen Labels, die mit Kenntnis und Leidenschaft arbeiten. Es wird auch dieses Mal dem hohem Anspruch gerecht. Ulrich Lorscheider hat die schwierigen Aufnahmebedingungen des Victoria & Albert Museum (U-Bahn-Geräusche...) vorzüglich gemeistert. Das ist leichter gesagt als getan, umso mehr, als der außergewöhnlichen Farbigkeit des Instruments nicht ohne weiteres beizukommen war. Für dieses Mal scheint sogar das Format: SACD – nur zu oft ‚Gimmick’ einer ratlosen, technikverliebten Musikindustrie – vollauf gerechtfertigt. Van Asperen und Lorscheider sind also nicht allein dafür zu rühmen, dass sie den unerhörten Klang des ‚Vaudry’ für unsere Zeit gerettet haben – dies wäre Sensation genug. Auch das ‚Wie’ verdient uneingeschränkte Bewunderung, musikalisch und technisch.

Dr. Daniel Krause