Toccata - Alte Musik aktuell
Johan van Veen
Toccata - Alte Musik aktuell-2395
Ein faszinierendes Klangdokument und eine modellhafte Produktion.

Das Vokalquartett Stimmwerck wurde 2001 gegründet, und konzentriert sich vor allem auf relativ unbekanntes Repertoire der Renaissance, insbesondere Musik aus dem deutschen Sprachraum. Dazu arbeitet es häufig mit Musikwissenschaftlern zusammen, und die hier vorliegende CD ist ein Ergebnis einer solchen Zusammenarbeit. Das St Emmeram Codex befindet sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek, stammt aber ursprünglich aus dem Benediktinerkloster St Emmeram in Regensburg. Die Sammlung von Musikstücken wurde von einem gewissen Hermann Pötzlinger zusammengetragen. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts arbeitete er als Lehrer an der Klosterschule. Nicht weniger als 255 Werke von überall aus Europa befinden sich in dieser Sammlung. Sie zeigt die grosse stilistische Vielfalt in der europäischen Musik, wirft aber auch ein interessantes Licht auf die damalige Aufführungspraxis. Es gibt z.B. mehrere Stücke weltlichen Charakters, die von Pötzlinger mit einem geistlichen Text versehen worden sind, sogenannte Kontrafakta. Aber man passte auch mal den Text für andere Verhältnisse an: wenn in einer Motette von Dufay Namen von Personen erwähnt werden, wurden die ohne Probleme von anderen ersetzt. Es gibt auch Beispiele von Änderungen in der Musik, z.B. die Erweiterung eines Satzes um eine Stimme. Stimmwerck hat das alles sehr schön interpretiert und aufgenommen. Das Ensemble bringt einen schönen und ausgewogenen Klang hervor; die weiteren Sänger fügen sich mühelos ins Klangbild ein. Als Abwechslung spielt Leon Berben Bearbeitungen aus dem Buxheimer Orgelbuch; dabei spielt er Stücke, die in irgendeiner Form auch im St Emmeram Codex zu finden sind. Die Stücke auf der CD sind übersichtlich thematisch geordnet, und das Textbuch gibt ausführliche Informationen über die Musik, sowie alle Gesangstexte in der Originalsprache wie in deutscher Übersetzung. Ein faszinierendes Klangdokument und eine modellhafte Produktion. Johan van Veen