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Lüttich, Eglise Saint-Jacques

Lüttich, Eglise Saint-Jacques

Lüttich, Eglise Saint-Jacques

Die Orgel der Eglise Saint-Jacques in Lüttich wurde im Jahr 1600 wahrscheinlich von Nicolas Niehoff oder Floris Hocquet I erbaut, wobei eine Zuweisung an Letzteren wahrscheinlicher ist.

Die originale Disposition ist nicht überliefert. Durch André Severin, einen aus Maastricht gebürtigen Orgelbauer, erfuhr das Instrument 1669 einen ersten Umbau. Arnold Clerinx erneuerte die Orgel 1854 völlig. Während dieser Arbeiten verschwanden auch die großen Flügeltüren, und das Gehäuse wurde erheblich in die Tiefe erweitert. Alle früheren Spuren wurden dabei völlig verwischt.
Im 20. Jahrhundert folgten mehrere Restaurierungsprojekte, die jedoch nicht ausgeführt wurden. Im Jahr 1964 wurde die Clerinx-Orgel ausgebaut. Als Titularorganist Pierre Thimus 1986 von der Stadt Lüttich mit der Überwachung eines neuen Restaurierungsprojektes beauftragt wurde, war das gesamte Pfeifenwerk dieses Instrumentes mittlerweile verschollen. Diese an sich bedauernswerte Tatsache bot nun die Möglichkeit, das prachtvolle Renaissance-Gehäuse in seinen Ursprungszustand zurückzuführen und durch den Einbau eines dazu passenden Instrumentes zu rehabilitieren.
Der Bau einer Renaissance-Orgel im Geiste der Niehoff-Schule ergab sich bald als die beste Lösung. Diese Wahl war eindeutig vorgegeben durch den Aufbau der Gehäuse und vor allem auch durch deren geringe Tiefe. Diese bringt fast zwingend die bei diesen Orgeln übliche Verteilung der Register eines Werkes über Unter- und Oberladen mit sich. Es bot sich die einmalige Gelegenheit in einem historischen Gehäuse den für Sweelinck charakteristischen Orgeltypus der Blütezeit der späten niederländischen Renaissance zu rekonstruieren. Dies umso mehr als die ältesten noch erhaltenen Zeugnisse jener Zeit lediglich bruchstückhaft und oftmals umgearbeitet in Instrumenten erhalten sind, die frühestens aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammen und der barocken Ästhetik verpflichtet sind. Zur Beratung wurde Koos van de Linde herangezogen, der sich lange mit dem Studium des frühen niederländischen Orgelbaus befasst hatte. Die Orgelbauwerkstatt Schumacher aus Eupen wurde mit der Ausführung der Arbeiten beauftragt.
Dass solch eine Stilkopie überhaupt möglich ist, ist dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass in der Orgel der St. Johanniskirche in Lüneburg ein großer zusammenhängender Bestand an Niehoff-Pfeifen erhalten ist, welcher bei den Prinzipalregistern und den Hohlpfeifen zudem die gleichen Mensuren wie die Van Covelens-Pfeifen der großen Orgel der St. Pieterskerk in Leiden aufweist. Diese beiden Instrumente ermöglichten es, weniger vollständig erhaltene Bestände in anderen Orgeln in den richtigen Zusammenhang zu bringen und so die Mensuren der Labialregister zweifelsfrei zu rekonstruieren. Für die Zusammensetzung der Mixturen waren jene des Rückpositivs der ehemaligen Utrechter Nicolai-Orgel (Cornelis Gerritsz., 1547) und einige schriftliche Quellen, wie eine Beschreibung der ehemaligen Niehoff-Orgel in Zierikzee, richtungweisend. Für die Rekonstruktion niehoffscher Zungenstimmen waren die Anhaltspunkte dagegen unzureichend. Sie wurden nach anderen Vorbildern hergestellt.
Da der Sinn einer Stilkopie darin beruht, ganz spezifische musikalische Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, sind dem Erbauer gewisse Abweichungen vom Originalkonzept erlaubt. Beschränkungen haben nur dort Sinn, wo sie gleichzeitig neue Möglichkeiten eröffnen bzw. zum gesunden Aufbau des Instrumentes beitragen. Im Gegensatz zu einer Restaurierung spricht jedoch nichts dagegen, gewisse unwesentliche Beschränkungen zu umgehen.
Um dem norddeutschen Repertoire gerechter zu werden, das auf dieser Art Orgel besonders gut klingt, wurde das selbständige Pedal besser bestückt als in der Niehoff-Tradition und die Hauptwerkskoppel ausschaltbar gemacht. Die weiteren Anpassungen dienen hauptsächlich dem Spiel späterer Literatur und dem liturgischen Gebrauch. Die Vox humana kann außerdem teilweise die Bärpfeife ersetzen, für die es im Lütticher Rückpositiv keinen Platz gab. Die Terzflöte im Oberwerk ermöglicht die Nachahmung des in späten Niehoff-Orgeln disponierten Nachthorn (Cornett) 3f. Bei der weiteren Aufteilung des Hauptwerksplenums wurde darauf geachtet, durch entsprechende Reduktion der Mixtur dessen Gesamtzusammensetzung nicht zu verändern.
Alle Manuale verfügen über Unter- und Oberladen. Das bekannteste historische Beispiel dafür ist sicherlich die ehemalige Utrechter Nicolai-Orgel, deren Aufbau durch eine Zeichnung von Maarschalkerweerd aus dem Jahre 1886 bekannt ist. Von diesem Instrument ist auch die Lütticher Pedalklaviatur kopiert worden. Vorbild für die Manualklaviaturen war die originale Van Covelens-Klaviatur in der St. Laurenskerk in Alkmaar (1511). Bei den Registerbezeichnungen wurde mangels guter französischer Äquivalente der alten norddeutschen Terminologie der Vorzug gegeben.
© 2014 Koos van de Linde



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