Ihre auf das moderne Konzertleben ausgerichtete Klanggestaltung, die akustische Symbiose mit dem Saal und ihre optische „Unaufdringlichkeit“ machten sie zu einer bestaunten „Wunderorgel“. Seit dem Einweihungskonzert mit dem Leipziger Thomasorganist Günther Ramin im Rahmen der Eröffnung des Hans-Sachs-Hauses zu Gelsenkirchen am 15. und 16. Oktober 1927 war die Walcker-Orgel regelmäßig Teil des städtischen Konzertlebens.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Instrument durch die Erbauerfirma demontiert und gesichert, nach Kriegsende dann erneut aufgebaut.
Aufgrund neuer Brandschutzbestimmungen erfolgten 1975 gravierende Eingriffe in die Bausubstanz des Gebäudes und der Konzertsaal wurde zu einer Mehrzweckhalle umgestaltet. Das Fernwerk der Walcker-Orgel auf dem Dachboden wurde entfernt. Immer gravierendere technische Mängel am Instrument erforderten allmählich seine grundlegende Sanierung. Initiiert vom langjährigen Kustos der Gelsenkirchener Walcker-Orgel, Karl-Heinz Obernier, wurden die Arbeiten in den 1980er Jahren unter der Leitung des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege von der Erbauerfirma ausgeführt. Anstelle der verschlissenen elektropneumatischen Abstromladen traten elektrische Schleifenladen.
Aufgrund von Sanierungsmaßnahmen des gesamten Gebäudekomplexes ab 2002 und dem damit verbundenen geplanten Rückbau des Saals in seinen ursprünglichen Zustand, wurde die Orgel 2001 zwecks Rückführung in ihren Originalzustand zunächst demontiert und anschließende durch die Firma Walcker magaziniert. Allerdings wurde 2008, mitten im Zuge der Baumaßnahmen, ein neu entwickeltes Nutzungskonzept für das Hans-Sachs-Haus vorgestellt und angenommen. Dieses sah die Rückkehr der Walcker-Orgel in den Saal nicht mehr vor. 2013 erfolgte die Wiedereröffnung des Hans-Sachs- Hauses ohne ihre einstige „Wunderorgel“.
Nach dem Erlöschen der Firma E. F. Walcker & Cie., 2003, übernahm die Orgelbauwerkstatt Romanus Seifert & Sohn aus Kevelaer das Projekt und restaurierte die Orgel in den Jahren 2003 - 2007. Erst im Mai 2017 erfolgte der Beschluss zur Translozierung der Orgel in die St. Antoniuskirche nach Papenburg. Das Architekturbüro Ulrich Königs (Köln) erhielt im März 2018 den Zuschlag für die Prospektgestaltung. Ab September 2019 erfolgte der Einbau vor Ort. Die Orgelweihe fand am 11. September 2020 statt.
An ihrem neuen Papenburger Standort erklingt die Orgel nun wieder in ursprünglicher Klanggestalt. Das 2005 nach Originalplänen rekonstruierte und um ein zweites Manual mit drei Stimmen und einer kombinierten Sub-/Gedacktbassreihe ergänzte Fernwerk wurde als Chororgel im rechten Querhaus aufgestellt.
Schon zu Beginn der Intonation in der St. Antonius-Kirche zeigte sich, dass auf Grund der gefundenen Gehäuselösung die einzelnen Register sowohl solistisch als auch im Zusammenklang bis hin zu einer Klangsättigung sinfonischer Prägung hervorragend mit der Raumakustik harmonieren. Der zeitgenössische, pfeifenlose Prospekt und die U-förmige Anordnung der Pfeifen erinnern an den ursprünglichen Standort. Speziell geformte und farblich gefasste Lamellen (mitteldichte Faserelemente aus Reisspelzen) für die Prospektfront leiten den Orgelklang vorzüglich ins Kirchenschiff. Die neutrale Farbgebung des Orgelgehäuses fügt sich in den Sakralraum mit seiner rotbraunen Backsteininnenarchitektur dezent ein.
Dr. Thomas Lipski