BR
Thomas Preuß
BR-05-01-2020
...dieses besondere Feeling fängt die Aufnahme ganz hervorragend ein.

Kostprobe 5.1.20

Was für ein sonderbares Instrument! Auf den ersten Blick sieht es aus, als hätte jemand ein Cembalo hochkant an die Wand gelehnt: Steil wie ein Berggipfel ragt der Korpus mit den Saiten nach oben, überragt bei weitem auch den Spieler, der wie bei einer Orgel unten an der Klaviatur sitzt. Keine Frage: Wer ein Clavicytherium jemals gesehen hat, wird dieses Bild so schnell nicht mehr vergessen.

Bis ins 18. Jahrhundert hinein war das senkrecht gebaute Clavicytherium die platzsparende Variante des Cembalos - etwa so wie heute das aufrecht stehende Klavier im Vergleich zum Konzertflügel. Erhalten sind weltweit aber nur ganz wenige Originale; dieses hier ist um 1620 in Deutschland gebaut und dann wohl nach Italien verkauft worden. Vielleicht war es das Schmuckstück eines venezianischen Palazzo, vielleicht hat eine vornehme Patrizierin darauf gespielt. Heute steht es im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, und der Cembalist Bernhard Klapprott erweckt es wieder zum Leben.

Und er tut das mit einem Repertoire, das ebenfalls die Verbindung zwischen Nürnberg und Italien spiegelt: Klapprott hat süddeutsche Musik mit italienischem Akzent ausgesucht - also Canzonen, Ricercari oder Saltarelli aus der Feder von Hans Leo Haßler, Johann Staden, Jacob Paix und anderen Kleinmeistern vom Beginn des 17. Jahrhunderts. Die vielen Stückchen, allesamt notiert in Tabulatur-Schrift, also einer altertümlichen Mischung aus Noten und Buchstaben, offenbaren eine überraschende Klangvielfalt: So kann das Clavicytherium dank einer speziellen Anzupftechnik vornehm näseln: [Musik] Oder mithilfe einer Lederdämpfung eine intime Laute imitieren: [Musik] Aber natürlich auch wie jedes andere Cembalo im festlichen Glanz erstrahlen: [Musik]

Dass der Cembalist hier beim Spielen ganz unmittelbar im Klang badet, mit dem Gesicht direkt vor dem Resonanzboden, ohne den sonst beim Cembalo üblichen Umweg der Schallwellen über den Raum – dieses besondere Feeling fängt die Aufnahme ganz hervorragend ein. Der knackige Clavicytherium-Klang wird allerdings erkauft durch eine komplexe Mechanik im Inneren. Rasante Tonwiederholungen zum Beispiel sind fast unmöglich, weil alle Tastenhebel erstmal um die Ecke gelenkt werden müssen. Das Instrument ähnelt damit einer kapriziösen Geliebten, auf deren Eigenheiten der Spieler behutsam Rücksicht nehmen muss.

Es ist das Verdienst von Bernhard Klapprott, dass diese Begrenzungen niemals spürbar werden. Im Gegenteil: Gerade die virtuosen Verzierungen und die plastische, manchmal sogar übermütige Artikulation machen den Reiz dieser CD aus. Und so wird die Begegnung mit diesem optisch faszinierendem Instrument auch zu einem akustischen Erlebnis.