Die Kostprobe vom 16. August 2015: Nicola Matteis - Books of Ayres
Der englische König Charles II. war ein großer Liebhaber des französischen Stils. Das führte dazu, dass sich die meisten englischen Komponisten in der Mitte des 17. Jahrhunderts am Versailler Leitstern Jean-Baptiste Lully orientierten. Doch dann kam Nicola Matteis nach London und machte dort mit einem Schlag die italienische Musik populär.
Londoner Musikwelt verzaubert
Der Neapolitaner Nicola Matteis über dessen Biographie kaum etwas bekannt ist - nicht einmal ein Geburts- und ein Sterbedatum sind überliefert - soll angeblich zu Fuß über Italien, Österreich, Deutschland und Frankreich nach England gewandert sein. Mit seinem virtuosen Geigenspiel verzauberte der Mitzwanziger die Londoner Musikwelt. Das schwatzhafte Publikum hörte plötzlich gebannt zu. Der große schlanke Matteis soll mit einem einzigen Geigenton wahre Wunderdinge vollbracht haben. Das gute alte Gambenconsort war plötzlich abgemeldet. So wie Matteis wollten jetzt die Engländer Musik machen. Und seine insgesamt vier zu Lebzeiten gedruckten Notensammlungen mit Ayres für Violine und Generalbass verkauften sich wie die sprichwörtlichen warmen Semmel.
Segen von Nicola Matteis
Warum spielt dann aber in dieser Aufnahme die erste Stimme keine Geige, sondern eine Flöte, werden Sie sich jetzt zu Recht fragen. Das liegt am vollendeten Virtuosen Andreas Böhlen und seinem 2003 gegründeten Alte Musik-Ensemble Theatrum affectuum. Zum einen will er zeigen, dass man auch auf der Barockflöte ebenso zaubern kann wie auf der Barockgeige. Und zum anderen hat er gewissermaßen den Segen von Nicola Matteis selbst. Denn der schrieb im Inhaltsverzeichnis zu seinem 3. und 4. Notenbuch, dass man seine einfacheren Ayres ebenso gut mit der Flöte spielen könne. Ob Andreas Böhlen sich nur die leichteren Ayres ausgesucht hat, da bin ich nicht so sicher. In puncto Tempo nimmt er es locker mit jeder Geige auf.
Können, Charme und echte Begeisterung
Das nenne ich doch mal ein Prestissimo. Aber Andreas Böhlen kann auch Adagio, und fast hat es den Anschein, er singe auf seiner Blockflöte. Und da Andreas Böhlen nicht nur Experte für Alte Musik ist, sondern auch ein erfolgreicher Jazz-Saxofonist, scheut er auch nicht davor zurück zu improvisieren. Das Ganze ist kongenial und auf Augenhöhe mitmusiziert von der hervorragend aufeinander eingespielten Generalbassgruppe. Nicola Matteis Ayres in der Fassung für Flöte und basso continuo sind mal einfühlsam elegisch, mal versiert virtuos, mal temperamentvoll tänzerisch. Aber immer überzeugt das Ensemble Theatrum affectuum mit Können, Charme und echter Begeisterung.
Dirk Kruse