BR-Klassik
Klaus Meyer
BR-Klassik-27-12-2009-2555
Spritzig, mit lockerer Hand, erfrischend und zugleich stets inspiriert musiziert.

Es waren unauffällige Revolutionäre. Oder sollte man besser sagen "sanfte" Revolutionäre? Die Rede ist von den Komponisten, die den Stilwandel vom "alten" und "schweren" Spätbarock zur neuen Leichtigkeit und Einfachheit der Vorklassik vollzogen. Zu den prominenten Protagonisten dieses radikalen Umbruchs – in Gestalt einer "sanften Revolution des Klanges" – zählen in Italien Sammartini und Pergolesi, in Österreich Wagenseil und Monn, in Deutschland die (gegen den Vater rebellierenden) Bach-Söhne und die so genannten "Mannheimer".

Das Main-Barockorchester Frankfurt – längst eine "feste Größe" in der Alten-Musik-Szene – hat sich in jüngerer Zeit darum bemüht, weniger prominente Komponisten aus der Zeit des Umschwungs vom Barock zur Klassik dem Publikum vorzustellen und vertraut zu machen. Nach CDs mit Musik von Johann Friedrich Fasch (1688- 1758) und Johann Wilhelm Hertel (1727-1789) ist ein Album mit Orchesterwerken von Johann Melchior Molter (1696-1765) erschienen.

Molter, seines Zeichens Komponist, Kapellmeister und Geiger, stammt aus Mitteldeutschland. In der Bach-Geburtsstadt Eisenach absolvierte er eine gründliche Kantorenausbildung. Später wurde er dort selbst Kirchenmusiker. Zuvor und danach profilierte er sich als markgräflicher Geiger und Kapellmeister in Karlsruhe, das seinerzeit noch Carols-Ruhe hieß. Und er unternahm mehrere Reisen nach Italien – nach Rom, Venedig und Neapel.

Die Aeolus-SACD, die mit fast achtzig Minuten Spieldauer an der äußersten "Schallgrenze" von CDs rotiert, präsentiert einen Querschnitt aus den verschiedensten Schaffensphasen des italo-philen Deutschen. Zu hören sind ein Violinkonzert nach dem Modell Vivaldis, eine Ouvertüren-Suite im französischen Stil, eine Streichersinfonie, ein Streicherkonzert (mit Oboe), ein Trompetenkonzert sowie eine so genannte "Sonata grossa". Dahinter verbirgt sich etwas, das Molters ureigenste Erfindung ist – eine Art von Suite, deren Sätze durch motivisch-thematische Korrespondenzen miteinander "verlinkt" sind.

Insgesamt ergibt sich beim Hören der CD der Eindruck einer kurzweiligen, "leichten Mischung" – spritzig, mit lockerer Hand, erfrischend und zugleich stets inspiriert musiziert. Highlights für den Kostproben-Tester der Tafel-Confect-Redaktion waren das Allegro der Ouvertüren-Suite, mit dem munter parlierenden Oboenpaar und einem herrlich "vorlauten" Fagott, die diskrete, zurückhaltende Virtuosität im Finale des Trompetenkonzerts, gespielt auf einer ventillosen Naturtrompete des internationalen Spezialisten für dieses Instrument Hans-Martin Rux, und nicht zuletzt der langsame Satz aus dem Violinkonzert – eine Art instrumentale "Opernszene", in der ein gebieterisches Tutti auf ein sanftes, beschwichtigende Kantabile der "einsamen" Violine trifft. Solist des Konzerts ist der Konzertmeister des Main-Barockorchesters Frankfurt, der Geiger Martin Joop – Ex-Schüler von Michi Gaigg, Reinhard Goebel und Gottfried von der Goltz.