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Oosthuizen, Grote Kerk
Die Orgel der Großen Kirche in Oosthuizen galt lange Zeit als eine der ältesten Orgeln der Niederlande. erbaut im Jahr 1521 und manchmal Jan van Covelens zugeschrieben. Ihre 1966 angebrachte mitteltönige Stimmung war damals für viele Liebhaber alter Orgelmusik eine Offenbarung und hat viel zu ihrer weltweiten Bekanntheit beigetragen.

Neuere Forschungsergebnisse von Van Biezen und Van de Linde (1981-82), Verloop (2001-02) und Flentrop Orgelbouw (2002-03) haben jedoch gezeigt, dass die Geschichte dieser Orgel viel komplizierter ist, als bis dann angenommen.

Obwohl die Kirche um 1521 vollendet gewesen sein muss, wird diese Jahreszahl in keiner der bisher aufgefundenen Archivalien mit einer Orgel in Zusammenhang gebracht. Der erste Nachweis eines Organisten und damit auch einer Orgel stammt aus dem Jahr 1548. Erst 1829 gibt es wieder ein Lebenszeichen einer sehr alten Orgel in Oosthuizen. In einem Bericht in der Zeitschrift Boekzaal der geleerde Wereld wird mitgeteilt, dass sie vom Amsterdamer Orgelbauer Sommer repariert wurde. Laut Beschriftungen auf der größten Prospektpfeife wurde das Instrument 1848 durch Hermannus Knipscheer (Amsterdam) repariert. Aus den Archivalien geht schließlich hervor, dass die Orgel 1869 abermals von Knipscheer überholt wurde (laut Beschriftung auf der genannten Prospektpfeife faktisch durch dessen Meistergeselle A.M.T. van Ingen). Er ersetzte die alten Bälge durch einen neuen Magazinbalg. Nach einem fast 100-jährigen Dornröschenschlaf wurde das Instrument dann 1965 von D.A. Flentrop restauriert.

Bei der heutigen Aktenlage sind wir für  die Geschichte vor 1829 völlig auf Erkenntnisse angewiesen, die aus dem Instrument selbst noch zu gewinnen sind. Das Gehäuse muss aufgrund seiner flachen Prospektarchitektur noch aus dem frühen 16. Jahrhundert stammen. Es ist deshalb nicht unmöglich, dass die ältesten Teile wirklich noch aus der Bauzeit der Kirche stammen. Die Klaviatur ist ohne Rahmenkonstruktion ins Gehäuse eingebaut, wie dies ursprünglich auch bei Jan van Covelens’ Chororgel in der St. Laurenskerk in Alkmaar der Fall war. Auch dies deutet auf das 16. Jahrhundert hin, ebenso wie der Klaviaturumfang FGA-g2a2. Obwohl schwer zu datieren, könnte die Registratur mit einzustoßenden statt auszuziehenden Registerzügen ebenfalls auf das 16. Jahrhundert hinweisen. Deshalb scheint zumindest ein Teil der technischen Anlage noch aus dieser Zeit zu stammen und es könnte sich noch immer um die 1548 zum ersten Mal nachgewiesene Orgel handeln.

Das Pfeifenwerk ist dagegen sehr heterogen und scheint eine Assemblage von größtenteils sehr alten Pfeifen unterschiedlicher Herkunft zu sein. Es sind mindestens 3 Macharten zu unterscheiden, die sich oft innerhalb eines Registers abwechseln. Sogar die direkt auf der Windlade stehenden Prospektpfeifen stammen offensichtlich aus einem 12’ Prospekt einer anderen Orgel. Auch die Octaaf 4’ enthält alte Prospektpfeifen, jedoch von einer anderen Machart. Der Assembleur konnte bei der letzten Restaurierung aufgrund seiner Handschrift als Pieter Backer aus Medemblik (um 1670) identifiziert werden. Von welchen alten Instrumenten er die Pfeifen wiederverwendet hat, ist bis jetzt noch nicht geklärt. Eins davon könnte die alte Orgel von Oosthuizen selbst sein.

Obwohl das heutige Konzept also auf Backer zurückgeht und die Disposition einige typische Merkmale seiner Epoche aufweist, wird der Klang noch immer weitgehend von den vielen Pfeifen aus dem 16. Jahrhundert bestimmt, die dieser Orgel einen ganz besonderen Charakter verleihen. Ein Teil dieser Pfeifen gehört zu den ältesten, die in den Niederlanden erhalten sind.

2002-03 fand eine erneute Restaurierung durch Flentrop Orgelbouw statt. Dabei wurde an der alten Stelle auf der Empore eine neue passende Windversorgung mit zwei doppelfaltigen Keilbälgen konstruiert. Da die mitteltönige Stimmung 1966 ohne Rücksicht auf die durch spätere Umstimmung veränderten Pfeifenlängen „aufgezwungen“ worden war, waren viele Pfeifenmündungen zu weit eingezogen bzw. aufgemacht worden. Diese wurden repariert und die Pfeifen wo nötig angelängt. Der offensichtlich zu hohe Winddruck wurde heruntergesetzt. Dadurch ist der Klang jetzt wesentlich entspannter ohne an Intensität eingebüßt zu haben.

© 2014 Koos van de Linde