Orgelnieuws
Bert Rebergen
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Möge diese überraschende, wunderschön gestaltete CD mit erstklassigem Orgelspiel von Peter Van de Velde, die wiederum von dem - zu Recht! - sehr gelobten AEOLUS-Plattenlabel stammt, der Auftakt zu einer Aufnahme sein, die uns zeigt, dass auch in Belgien die Avantgarde in der Orgelmusik nicht vermieden wurde.

Wie gut würden Orgelliebhaber jenseits der Grenzen unsere Orgelkomponisten aus der Zeit um und im zwanzigsten Jahrhundert kennen? Vermutlich ist Hendrik Andriessen in Bezug auf Bekanntheit führend, aber wie steht es mit Namen wie Van Westering, Kee, Mudde, Van der Horst, Bijster, Zwart und Monnikendam, die zu seinen Lebzeiten in Frankreich als maître bezeichnet wurden?

Aber dann wirft man einen Blick auf die Namen der Komponisten, deren Werke auf dieser CD zu hören sind, und ich gebe offen zu, dass mir einige Namen nichts sagten.

Glücklicherweise haben wir dann Peter Van de Velde, der uns mit vielem Unbekannten unserer südlichen Nachbarn bekannt macht. Und falls Sie die Orgel von Sint Michael in Antwerpen nicht kennen, werden Sie feststellen, dass nicht nur die Kathedrale von Antwerpen schöne Instrumente beherbergt.

Schon beim Hören der Symphonie von Camille-Marie Jacquemin kommt der Gedanke auf: 'Warum habe ich dies nicht früher gehört?' Noch bevor ich es im Booklet las, gingen meine Gedanken zu dem späten Widor und Vierne. Vom Letzteren hatte der Komponist Unterricht erhalten und dieses Werk wurde auch dem damaligen Organisten von Notre-Dame gewidmet. Besonders der zweite Teil hätte gut in eine von Viernes Symphonien gepasst. Und die wunderschönen jeux de fonds der Stevens-Orgel tragen dazu bei.

Alt wurde Jacquemin nicht. Er tauschte nach dem Zweiten Weltkrieg die Orgelbank gegen die Kanzel. Ein Priester auf der Orgelbank, von dem ich gerne mehr musikalische Meditationen hören würde.

Mit Moulaert verlassen wir ein wenig die französischen Gefilde. Belgien hat auch einen deutschsprachigen Teil und dort passt diese Musik gut hinein. Kein Choral à la Franck oder Andriessen, sondern einer, der auf die deutsche Barockzeit zurückblickt. Der abwechslungsreiche Kanon neigt mehr zur Romantik und gibt dem Organisten die Möglichkeit, dem Zuhörer verschiedene Facetten des Orgelspiels zu präsentieren. Van de Velde nutzt diese hervorragend.

Dass Orgelliebhaber den jüngeren Bruder von Joseph Jongen weniger gut kennen, ist verständlich. Trotz seiner beeindruckenden musikalischen Laufbahn schrieb er nur dieses 'in memoriam' für Orgel. Es wurde anlässlich des Todes von König Albert I. von Belgien komponiert. In der Mitte verliert das ansonsten spannende Werk ein wenig an Schwung, aber sobald Marschmotive erscheinen und die Eröffnung der Brabançonne erklingt, erkennt man plötzlich den Stil seines älteren Bruders. Als ob Joseph ihm weiterhelfen wollte, zu einem letztendlich offenen Ende. Dass es bei diesem einen Orgelwerk blieb, ist nichtsdestoweniger bedauerlich.

Den ältesten Bruder kennen wir. Daher ist es ein reines Vergnügen, dessen Marche religieuse zu genießen, die ein wenig an Francks Final erinnert, aber auch an die später erschienene Marche von Nicholas Choveaux denken lässt.

Von Jean-Marie Plum hören wir seine Trois Pièces. Nicht so erhaben wie die von Pierné, aber das gesangliche des zweiten Teils und das virtuose des dritten Teils lassen uns hören, dass wir es nicht mit einem musikalischen Miesepeter zu tun haben.

Die Meditation von Froidebise atmet auch den Stil von Franck, während das Louanges mehr an dessen Nachfolger Tournemire erinnert. Und obwohl Froidebise später vom Werk Messiaens beeinflusst worden sein muss, atmet diese Musik noch die Zugänglichkeit der Spätromantik.

Und - darauf aufbauend - fragte ich mich nach dem Ende, ob es nicht eine gute Idee gewesen wäre, auch Musik auszuwählen, die ein wenig mehr abseits der ausgetretenen Pfade der Spätromantik liegt. Diese CD hätte damit spannender werden können, denn unter jenen holländischen Jungen, die ich am Anfang erwähnte, waren genug, die das Experiment wagten, ohne dabei direkt in kaum fassbare Avantgardemusik überzugehen.

Möge diese überraschende, schön gestaltete CD mit erstklassigem Orgelspiel von Peter Van de Velde, die erneut aus dem - zu Recht! - viel gelobten CD-Haus von Christoph Martin Frommen stammt, ein Auftakt zu einer Platte sein, die uns hören lässt, dass man auch in Belgien, an der Orgel, das Abenteuer nicht gescheut hat.