François Couperin (1668-1733) tritt in die Fußstapfen seiner Ahnherren, als er Organist von Saint-Gervais in Paris wird. Sein Onkel Louis war zunächst ab 1653, danach François' Vater Charles ab 1661 Organist. Als der Vater stirbt ist der kleine François noch nicht einmal 11 Jahre alt; aber man halt ihm die Stelle frei! Offiziell wird er dann als 17-jähriger ab 1685 entlohnt, vier Jahre später zum Organisten ernannt. In der Interimszeit versieht De la Lande, der Nachfolger Lullys in Versailles, den Organistendienst. Der Sonnenkönig Ludwig XIV. ernennt François Couperin dann 1693 zum Organisten der Chapelle Royale, 1696 wird er in den Adelsstand erhoben, 1702 Ritter des Lateran-Ordens.
Lebenslang widmet sich das Genie der Orgel und der Liturgie, hinterlässt jedoch nur ein einziges "Livre d'Orgue". Couperin komponiert aber auch zwei Messen, zwei Zyklen von jeweils 21 Stücken, die den Einsätzen der Orgel während der Messliturgie entspricht. Die erste Messe ist "für den gewöhnlichen Gebrauch der Gemeinden, für feierliche Feste", die zweite, etwas bescheidener komponierte, für die Verwendung in den "Mönchs- und Nonnenklöstern" bestimmt. Das scheint etwas merkwürdig, doch muss man wissen, dass zu Couperins Zeit in Paris etwa 100 Religionsgemeinschaften eröffnet worden waren, von den Karmelitinnen, den Salesianern, Vincentinern bis zur Eröffnung des College Louis-Grand durch die Jesuiten.
Die beiden Messen, die "Messe solemnelle à l'usage des Paroises" und die "Messe à l'usage des Couvents" spielt nun der 1971 geborene Serge Schoonbroodt auf der Orgel der Kathedrale Notre-Dame in Le Puy-en-Velay ein. Diese Orgel wurde 1691-1692 durch Jean Eustache errichtet; die Orgel wurde in der Folgezeit mehrfach versetzt und verändert: 1754-1776 Umbau durch Jean Baptiste Isnard; 1827-1828 Umbau durch Joseph Callinet; 1848 Einbau eines Schwellwerks durch Ducroquet; 1892 Veränderungen an der Disposition; 1937 Einbau eines großen Schwellwerks und zahlreiche Modifikationen durch Debierre-Beuchet-Gloton. 1995-98 wurde die Orgel durch die Firma Boisseau-Cattiaux umfassend restauriert. Dabei kehrte man zur ursprünglichen klanglichen Gestalt des 17./18. Jahrhunderts zurück; die rückwärtige Fassade wurde wiederhergestellt (die Orgel befand sich ursprünglich auf einem Lettner und war von beiden Seiten zu betrachten).
Die Orgel ist ein Gedicht und die Registerwahl von Serge Schoonbroodt ebenfalls. Und die Art, wie er die Orgel schlägt, lässt den Meister erkennen. Auch Serge ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Er ist der älteste Sohn des Organisten Hubert Schoonbroodt (1941-1992). Serge Schoonbroodt, 1992 Träger des 1. Preises am Brüsseler Konservatorium, zeigt hier mit dieser außergewöhnlichen Einspielung seine Meisterschaft auf der Königin der Instrumente. Robert Strobl