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Tribune libre - für ein bewegendes Solistenportrait. Wer diese CD ersteht, ist mit Sicherheit ein etwas glücklicherer Orgelmusikliebhaber !

Wer sich mit Liebe und enorm viel Energie - kurz mit Passion - einem Lebensthema wie dem Orgelspielen widmet, ist voller Begeisterung, wenn er große Vorbilder als authentische Zeitzeugen seiner Kunst hören darf und diese , bestenfalls, sogar über ihre Erfahrungen und biografischen Stationen sprechen hört.

Die neue CD des Labels AEOLUS und des Produzenten Christoph Martin Frommen macht nun in einem klanglich und programmatischen Glücksgriff die "Bühne frei" für die große Suzanne Chaisemartin, französische Hauptstadtorganistin (neben Daniel Roth ) an wohl Frankreichs berühmtester Orgel in St.Sulpice. Chaisemartin ist Schülerin Duprés gewesen. Ihr Spiel hatte noch in der unverwechselbaren Schule des Großmeisters und Pädagogen Schliff und Schärfe erhalten.

Als ehemalige Titularorganistin wichtiger Instrumente Cavaillé-Colls, weiß Chaisemartin souverän mit der "Klangmaschine C.-C. Orgel" umzugehen. Sie spielt auf den historischen Trakturen trotz vorgerückten Alters technisch absolut sauber. Die durchdachte, formale Strenge ihres Vortrags addiert sich mit der berückend gewählten, augenmaß beweisenden, künstlerischen Freiheit der Solistin zu einem auditiven Genuß erster Güte. Die neue Einspielung wird somit zu einem Klangzeugnis, das in den gut sortierten CD-Schrank organophiler Menschen hineingehört !

Chaisemartin zeichnet in ihren gesprochenen Beiträgen wichtige Stationen ihres Organistinnenlebens nach - lange her ist z.B. der tagtägliche Gang an der Pariser Pfarrkirche Saint-Augustin vorbei , auf dem Weg zum Unterricht am Konservatorium mit Marcel Dupré, der sie auf einen der raren Meisterschülerplätze wählte. Nach Bestnoten und Vertretungsdiensten für Dupré in St.Sulpice wurde Chaisemartin an Saint-Augustin Titular-Organistin - und somit Nachfolgerin Eugène Gigouts und André Fleurys. Natürlich interpretiert sie in der neuen AEOLUS-CD Werke auch auf diesem Instrument : aus Eugène Gigouts "Douze piéces" hört man zwei Sätze und von André Fleury die "Variations sur un noel bourguignon".

Eine ihrer ersten Plattenaufnahmen auf einer Cavaillé-Orgel enstand in der französischen Stadt Caen. Auf dem monumentalen Werk spielt die Organistin auf der vorliegenden AELOUS-CD Werke von Guilmant und Dupré. Reizvoll ist hier zu hören, daß seltener gespielte Werke aufs Silber gebannt wurden. Wer hört schon oft die reizvollen Miniaturen der "Inventionen" Duprés oder "Introduction et Variations sur un ancien Noel polonais" ? "Ihre" große Orgel und für nicht wenige Menschen "die französische Orgel schlechthin" in St.Sulpice gibt in dem klangtechnisch höchst zufriedenstellenden Mitschnitt Stationen des "chemin de la croix" Marcel Duprés wieder. Außerdem ist die eingängige Dupré- Toccata über "Placare Christe Servulis", von Chaisemartin zum brillanten Tutti des fünfmanualigen Instruments genutzt, wohlüberlegter Schlußpunkt unter eine 74 minütige CD.

Suzanne Chaisemartins neueste Portrait-Aufnahme aus dem Hause AEOLUS ist facettenreich, klanglich von erster Güte und programmatisch äußerst vielfältig. Sie hat hohen informativen Wert dank eingespielter Original-Kommentare der Solistin und - last, but not least, liegt ein ungemein reichhaltig bebildertes und textreiches Booklet bei, das zum Schmökern beim Zuhören einlädt. Was will man mehr ? Ergo: Wer diese CD ersteht, ist mit Sicherheit ein etwas glücklicherer Orgelmusikliebhaber !

JüSch