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Zürich, Tonhalle
Bei diesem von den Firmen Kleuker und Steinmeyer erbauten, 1988 eingeweihten viermanualigen Instrument sehen wir uns einem Ensemble von außerordentlich charakteristischen Stimmen gegenüber, die vereint ein besonders wuchtig-dramatisches Plenum zu bilden vermögen.

Diese für den Konzertsaal geschaffene Orgel besticht durch ihren Farbenreichtum undist in ihrer von Jean Guillou entworfenen Disposition einzigartig. Um einen musikalischen Dialog zu ermöglichen, sind auf den verschiedenen Manualen äußerst differenzierte Solostimmen plaziert: im Grand Chceur zum Beispiel das aus durchgehend überblasenden Aliquotstimmen zusammenstellbare Cornett, das über eine außergewöhnliche Leuchtkraft verfügt, oder die aus denkmal-pflegerischen Gründen hinter dem Prospekt plazierten Chamaden, von denen vor allem die horizontale Oboe - eine Seltenheit im Orgelbau - äußerst expressiv ist; im Positiv glas Rankett mit seinem schleifenden Ton, das Krummhorn oder die Sesquialter mit typisch holländischem Klang.

Auch im Pedal finden wir mit der Theorbe - einer Mixtur mit den ungewöhnlichen Obertönen der Septime und der None (nebst der Terz) - ein Register, das mit einer neuartigen Farbe zu zeichnen vermag. Eine ähnliche Mixtur ist Aliquot im Grand Choeur. Das Pedal verfügt ansonsten sowohl über zwei äußerst klangvolle 32'- als auch über solistisch zeichnende Stimmen, wie sie zum Beispiel in durchsichtigen Trio-Sätzen gebraucht werden.

Das Recit steht in der Tradition von Cavaille-Coll. Neben sanften Grundstimmen und der kräftigen Zungenbatterie finden wir das vollmundige und gleichzeitig klar zeichnende Plein Jeu harmonique. Das Hauptwerk vereinigt in sich die klassischen Orgelfarben, hier jedoch ganz besonders erwähnenswert die ungewöhnlich tiefliegende Grosse Mixture IV, die den Klang dramatisch füllt und den Übergang von den Grundstimmen zu den Mixturen in einem Crescendo wunderbar fließend macht.

Die Orgel verfügt über zwei Spieltische, einen mechanischen Spielschrank sowie einen per Co-Axialkabel mit der Orgel verbundenen, frei beweglichen elektrischen Spieltisch, der modernste, von Solid State Logic gefertigte Elektronik bietet: 360 Generalkombinationen sowie 48 geteilte pro Manual und Pedal, 3 setzbare Crescendi (neben einem hervorragend disponierten Standard-Crescendo), welche im Prinzip eine Folge von 30 Kombinationen darstellen, die mit dem Crescendo-Tritt abrufbar sind.

Ganz besondere Aufmerksamkeit gebührt dem Replay-System der Orgel, das alle vom Organisten am elektrischen Spieltisch produzierten Impulse mittels eines Video-Recorders aufzeichnen und später reproduzieren kann. Die Orgel spielt dann also gesteuert vom Video-Recorder, und der Organist hat im Saal sitzend die Möglichkeit, sowohl die Registrierung als auch seine Interpretation zu überprüfen.

Insgesamt gesehen ist die neue Tonhallen-Orgel zweifellos ein Instrument, das allen Traditionen der Orgelliteratur gerecht zu werden vermag, gleichzeitig aber über diese hinausgeht, neue Wege weist und jeder Musik ihren ganz persönlichen Stempel aufdrückt.

Ulrich Meldau