BR-Klassik
Wolfgang Schicker
BR-Klassik-17-08-2012-3035
Ob empfindsam, galant, stürmisch oder drängend – Klapprott haucht Bendas Musik auf einem Original-Clavichord von 1788 so viel Lebendigkeit ein, dass sich der Begriff der "Vorklassik" beim Hören dieser CD von selbst erledigt.

Empfindsam und galant

Claviersonaten von Georg Anton Benda

Auf seiner neuen CD spielt Bernhard Klapprott Sonaten von Georg Anton Benda auf einem Clavichord von 1788. In seiner Interpretation schöpft Klapprott das gesamte Ausdrucksspektrum des Clavichords aus, beweist neben großer Virtuosität ein feines Gespür für die Vielschichtigkeit dieser Musik zwischen Barock und Klassik.

Carl Friedrich Zelter schwärmte gegenüber Goethe, einen "solchen wahren Musicus habe ich nicht wieder gesehen", und der junge Mozart schrieb in einem Brief, dass "Benda unter den lutherischen kapellmeistern immer mein liebling" gewesen sei.

Zelter und Mozart sprachen von Georg Anton Benda, jüngster Spross einer umtriebigen Musikerfamilie aus Böhmen. Schon sein Großvater und sein Vater widmeten sich mit Leidenschaft der Musik, die älteren Brüder waren Mitglieder der Hofkapelle des preußischen Kronprinzen und späteren Königs Friedrich (des Großen). So wuchs der junge Georg in Potsdam auf, trat 1742 vorübergehend ebenfalls in den Dienst der brandenburgisch-preußischen Hofkapelle. 1750 dann ernannte ihn Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha zum Hofkapellmeister. Sieben Jahre später gab Georg Anton Benda bei einem Berliner Verleger sechs Sonaten für Clavier (die damals übliche Bezeichnung für besaitete Tasteninstrumente) heraus, die Bernhard Klapprott auf einem originalen Clavichord des Dresdner Klavierbauers Joseph Gottfried Horn aus dem Jahr 1788 einspielte.

Empfindsam und galant

Bendas Vorbild bei der Komposition seiner Sonaten war der acht Jahre ältere Carl Philipp Emanuel Bach, dessen Spiel auf dem Clavichord weit über Deutschland hinaus bewundert wurde. Beide Komponisten lebten in einer Zeit des kulturellen Umbruchs – in der Politik war es der Übergang vom Absolutismus zur Aufklärung, in der Literatur vom Barock zur Klassik. In der Musik fiel es schon immer schwer, einen Epochenbegriff für diese Zwischenzeit vor dem Erblühen der Wiener Klassik zu finden. Aus der Kunstgeschichte lieh man sich den Begriff "Rokoko", aus der Literatur "Sturm und Drang", aus der Philosophie "Aufklärung". Aber so richtig passt keine dieser Bezeichnungen, ebenso wenig wie das Wort von der "Vorklassik", das den ausgeprägten Kunstsinn dieser Epoche völlig verkennt. In seinem sehr ausführlichen und informativen Booklet-Text zeigt Karsten Erik Ose auf, welche neuen musikalischen Stilelemente es sind, die Bendas Sonaten in den Kontext der Übergangszeit zwischen Barock und Klassik stellen: Neben Resten barocker Klangsprache verkörpern manche Sätze das Ideal des Galanten, wie Benda es im Umkreis der Berliner Hofkapelle kennengelernt hatte, andere Sätze gehen in die Richtung eines empfindsamen Stils mit seinem raschen Wechsel der Affekte, und schließlich vermittelt die mitreißende Virtuosität einiger Passagen eine Vorstellung davon, dass "Sturm und Drang" nicht nur ein literarisches Phänomen dieser Zeit war.

Virtuosität und Vielschichtigkeit

Das Clavichord hat von allen historischen Tasteninstrumenten die größte Ausdrucksvielfalt. Sogar ein Vibrato ist möglich, weil die Taste direkt ohne Zwischenmechanik mit dem anschlagenden Hammer verbunden ist. Der Nachteil des Clavichords ist, dass durch das Fehlen dieser Mechanik keine große Lautstärke erreicht werden kann – es ist ein Instrument für intime Momente, für einen kleinen Kreis von Kennern und Liebhabern. Bernhard Klapprott schöpft in seiner Interpretation der Sonaten von Benda das gesamte Ausdrucksspektrum des Clavichords aus, beweist neben großer Virtuosität ein feines Gespür für die Vielschichtigkeit der Musik. Ob empfindsam, galant, stürmisch oder drängend – Klapprott haucht Bendas Musik auf einem Original-Clavichord von 1788 so viel Lebendigkeit ein, dass sich der Begriff der "Vorklassik" beim Hören dieser CD von selbst erledigt.