Der weiße Klang der alten "Kniegeige"
Hochvirtuos, was Rainer Zipperling aus seinem Instrument herauskitzelt – die Gambe mal nicht melancholisch, sondern aufgekratzt. Werke von Couperin und Forqueray aufgenommen. "La chemise blanche" heißt die CD, die beim Label Aeolus erschienen ist – Ursula Böhmer stellt sie vor.
Die Viola da Gamba ist die buchstäbliche Bein- oder Kniegeige. So ganz stimmt das nicht, denn eigentlich wird das Streichinstrument zwischen den Oberschenkeln gehalten. Besonders hofiert wurde die Viola da Gamba am Hofe von Sonnenkönig Ludwig XIV – durch Gambenvirtuosen wie Marin Marais oder Antoine Forqueray. Für das Instrument komponiert hat aber auch der Cembalist François Couperin. Der Gambist Rainer Zipperling hat nun gemeinsam mit der Gambistin Sofia Diniz und dem Cembalisten Pieter-Jan Belder Werke von Couperin und Forqueray aufgenommen.
Sie gilt als die Melancholikerin unter den Streichinstrumenten: Die Viola da Gamba klingt immer ein wenig verschnieft, verzagt, fast depressiv. Genau diesen bluesig-blauen Tonfall haben sich die Komponisten gern zunutze gemacht. Und noch Johann Sebastian Bach hat sich daran geweidet – man denke nur an die berühmten Gamben-Arien aus seinen Johannes- und Matthäus-Passionen. Dabei galt die Viola da Gamba zu Bachs Zeit schon fast als Dinosaurier.
Zur Zeit von Sonnenkönig Louis XIV war die Viola da Gamba noch groß in Mode. Virtuosen wie Marin Marais oder Antoine Forqueray strichen um die Gunst des Königs. Ein großer Forqueray-Fan war auch der Hofcembalist und Komponist François Couperin: Er widmete ihm ein Stück mit Untertitel "La Superbe ou La Forqueray", "Die Prächtige oder Die Forqueray" – das ist Wertschätzung in Tönen.
Ursprünglich hat François Couperin viele "prächtige" Stücke für sein Instrument, das Cembalo, komponiert. Rainer Zipperling hat es auf seiner neuen CD "La chemise blanche" für das Instrument des Widmungsträgers Forqueray bearbeitet. Gemeint ist hier übrigens ein weißes Totenhemd - vermutlich sogar das des Hofgambisten Marin Marais, dem Couperin das Stück gewidmet haben soll. Klingt aber eher danach, als wolle hier jemand dem Tod ganz flott noch mal von der Schippe springen!
Fazit: Egal, ob Forquerays Freunde eher tanzbegeistert, nachdenklich oder todtraurig daherkommen: Der Gambist Rainer Zipperling, seine Mitstreiterin Sofia Diniz und Cembalist Pieter-Jan Belder verleihen hier jedem der Stimmungen ihren eigenen Charakter – vortrefflich virtuos, ausdrucksstark, erzählerisch artikuliert, klanglich dabei immer genau austariert. Gambenmusik vom Feinsten – und eine musikalische Reise in künstlerisch wahrlich sonnenkönigliche Zeiten.