Interview (live):
Marek Kalina: Eine CD mit Bachs Sonaten für Violine und Cembalo - das ist vielleicht noch nichts Ungewöhnliches, aber ungewöhnlich ist die Tatsache, daß der Geiger Erich Höbarth - er ist Jahrgang 1956 - und der Cemabalist dieser Aufnahme, der Finne Aapo Häkkinen - er ist Jahrgang 1976 - also 20 Jahre liegen die beiden auseinander, zwei Generationen sind hier am Werke. Bernhard Schrammek, was hat die beiden hier zusammengebracht, die Liebe zu Bach?
Bernhard Schrammek: Das denke ich schon. Es hat mich auch sehr überrascht, zunächst, als ich die beiden Namen auf dem Cover gelesen habe, denn Erich Höbarth ist bekannt als ein Geiger aus Wien, der sehr viel mit Nikolaus Harnoncourt zusammengearbeitet hat, der lange auch der Konzertmeister im Concentus Musicus Wien war, davor auch eine Karriere als Geiger auf modernen Instrumenten hat, er hat bei den Wiener Symphonikern als Konzertmeister lange gewirkt, also wirklich so ein "Durch und durch"-Geiger, und einer, der so ein bisschen auch zu den Pionieren der historischen Aufführungspraxis gehört. Und der andere, Aapo Häkkinen aus Finnland, den hätte ich jetzt gar nicht da in diese Ecke gepackt, das ist einer der viel in Finnland gemacht hat, auch mit dem Helsinki Baroque Orchestra, und der wunderbar Cembalo spielt und auch selber Ensembleleiter ist und die Cembalokonzerte schon eingespielt hat von Bach. Also einer, wo ich mir denke, der hat seinen Bereich da so eher in Finnland, und er tourt auch mit diesem Orchester viel, und um so mehr habe ich mich gefreut, daß die beiden zusammengefunden haben - warum, habe ich leider nicht recherchieren können, aber ich denke mal, es ist wirklich wie Sie sagen: die Liebe zu Bach, die sie da zusammengeführt hat.
MK: Und so klingt es, wenn die beiden zusammen musizieren (...)
Wenn zwei Spezialisten für historische Aufführungspraxis am Werk sind, dann sind natürlich auch historische Instrumente im Einsatz, oder Nachbauten historischer Instrumente, Was wissen Sie genau über diese Instrumente?
BS: Also die Geige, das ist wirklich ein Original, eine sehr wertvolle Geige von Giuiseppe Guarner aus dem Jahre 1705, aus dem italienischen Geigenbauzentrum, aus Cremona, ein Originalinstrument, das Erich Höbarth schon eine Weile spielt und das auch wirklich original erhalten ist. Oft werden bei den Violinen ja der Hals umgebaut und das Griffbrett verlängert, das ist da nicht der Fall. Also wirklich ein originales Instrument, natürlich der passende Bogen dazu. Und Aapo Häkkinen spielt wirklich auf einem total interessanten Cembalo, das ist ein Riesending, ein Nachbau eines Cembalos von Johann Adolph Hass aus dem Jahre 1760, also schon so ein bisschen spät für Bach, mit einem 16-Fuss-Register in einem Manual, d.h. also, wenn man da die Taste drückt, erklingt gleichzeitig noch eine Saite eine Oktave tiefer. Das hat man jetzt schon ganz gut hören können, und in den nächsten Stücken wird man es auch nochmal gut hören. Dazu gibt's zwei 8-Fuß-Register und einen 4-Fuß, also sehr viele Möglichkeiten, denn man kann diese Register ja zuschalten und wieder wegschalten, und mit diesen Möglichkeiten arbeitet Aapo Häkkinen hier wirklich sehr sehr bedacht. Das ist eine Freude zu hören, wie unterschiedlich das ist. Solche Leute, die sagen, Cembalo klingt ja immer gleich, da kannst du ja nicht mal laut und leise spielen, die straft man hier Lügen, denn so große Abwechslung, wie hier in den Sonaten ist, das hat man selten gehört.
(...)
MK: Bernhard Schrammek, wenn ich diese Musik höre, da denke ich an einen geselligen Abend bei der Familie Bach, wie die kinderreiche Familie da zusammensitzt, und die Kinder dürfen so nacheinander jeweils eine Sonate interpretieren,
ist das eine Art" Hausmusik à la Bach"?
BS: Das glaube ich nicht. Nach allem, was wir über die Stücke wissen, sind sie vermutlich in Köthen entstanden, bereits, als Bach Kapellmeister war bei dem Fürsten Leopold, der hat übrigens auch so ein ganz modernes Cembalo anschaffen lassen aus Berlin, was so eine ähnliche Disposition hat wie das Instrument, das hier spielt, und Bach hatte dort eine hervorragende Hofkapelle. Und auch von den Streichern war das sehr gut besetzt, und es ist anzunehmen, daß das zunächst für die höfische Kammermusik dort komponiert wurde, und daß das ein Geiger der Hofkapelle oder Bach selbst, der auch Geige spielte, gespielt hat, begleitet von je nachdem, wer als Cembalist in Frage kam. Das schließt natürlich nicht aus, daß das auch die "Kinderchen" zu Hause gespielt haben, also Friedemann und auch Carl Philip Emanuel werden das gekonnt haben später. Bach hat dann sechs dieser Sonaten in Leipzig nochmal in eine neue Handschrift gebracht, das war dann Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre, vermutlich für sein Collegium Musicum, das er dort geleitet hat, da ist das also auch wieder im konzertanten Rahmen erklungen. Also, es ist schon eine Konzertmusik! Ganz sicher im höfischen Rahmen und dann im bürgerlichen Rahmen.
MK: Und das Cembalo kommt hier wirklich zu einem großen Recht, sag ich mal... auch in dem nächsten Stück, da müssen wir auf etwas Besonderes achten, was das Instrument angeht?
BS: Genau. Ein Wort vielleicht noch zur Satzweise: Das sind eben keine Stücke für Violine und basso continuo, wo das Cembalo nur so ein paar Akkorde spielt, sondern das ist alles auskomponiert von Bach, und die rechte Hand im Cembalo ist oft so virtuos wie die Violine. Und jetzt achten Sie mal auf den Lautenzug, das ist eine Dämpfung der Saiten beim Cembalo.
(...)
MK: Bernhard Schrammek, auf mich wirkt das sehr sehr warm, also der Klang ist sehr sehr warm, was die Geige angeht und vor allem das Cembalo, also kein stechender Klang. Ist das für Sie auch die Magie dieser Aufnahme?
BS: Jas, das kann man vielleicht so zusammenfassen. Also diese Harmonie dieser beiden Instrument - das geht natürlich von den Spielern aus, aber auch diese Instrumente, die sie gewählt haben, das paßt einfach wunderbar zusammen. Ich merke, wie aufmerksam die aufeinander hören und zusammen passen, die Violine klingt irgendwie so wie ein Zusatzregister des Cembalos - das gibt's natürlich nicht - aber es klingt gerade in diesem Satz, wo die so gleichberechtigt sind, die Oberstimme des Cembalos und die Violinstimme, das klingt so gleichwertig, eben zwei verschiedene Farbtöne ein und desselben Themas, also: das ist eine ganz große Qualität, die diese Aufnahme auszeichnet.
MK: Das ist eine harmonische Verschmelzung geradezu!
BS: Ja, genau. Man glaubt es könnte auch einer spielen. Wenn man die Vorstellung einer Orgel hat, wo die verschiedenen Register spielbar sind, die auch ganz unterschiedlich klingen - ich glaube, das ist durchaus im Sinne des Komponisten, das so zu schaffen, daß man irgendwann [sich fragt]: War das jetzt ein Cembaloton oder war das jetzt ein Geigenton - also daß das soweit kommt sogar.
MK: Also ein Glücksfall, diese Aufnahme, auf jeden Fall.
BS: Finde ich wirklich. Vielleicht macht's auch die große Erfahrung, die Erich Höbarth da mitbringt, als knapp 60-jähriger mit einem knapp 40-jährigen zusammen zu musizieren, daß das dann so ein Ergebnis bringt.