WDR3 Tonart: Welchen Stellenwert haben diese [Gamben-]Sonaten in Bachs Werk?
And Richter: Ich glaube, sie haben trotz allem einen hohen Stellenwerk, sie sind ja ähnlich strukturiert von der Verteilung der instrumentalen Aufgaben wie die Violinsonaten. Es heißt ja „Sonaten mit obligatem - also konzertierendem - Cembalo“, es sind also keine reinen Generalbasssonaten. Das besondere ist ja, daß Bach sie für ein Instrument geschrieben hat, das zu der Zeit, als die Stücke entstanden sind, schon quasi den Zenit seiner Bedeutung überschritten hatte. Zwar hat auch Carl Philip Emanuel, also Bachs zweitältester Sohn, auch noch Gambensonaten geschrieben, aber schon zu Johann Sebastian Bachs Zeiten war das Kompnieren für die Gambe ja eine sehr außergewöhnliche Sache, und ich finde, daß diese Stücke einfach tatsächlich noch einmal ein Höhepunkt in der Gambenliteratur sind, auch wenn sie eigentlich die Möglichkeiten, die die Gmabe hat, gar nicht voll ausschöpfen.
WDR3 Tonart: Nun werden diese Stücke ja eben auch heutzutage häufig von Cellisten gespielt, die diese Sonaten auf ihre Instrumente übertragen weil die Gambe nicht mehr so geläufig ist. Welche Vorteile hat es denn, wenn man diese Stücke auf dem Originalinstrument hört?
And Richter: Im Gegensatz zu Musik für Gambe aus dem französischen Raum lassen sich die Bachschen Sonaten relativ leicht auf das Cello übertragen, weil nämlich das wesentliche des Gambenspiels, nämlich das akkordische Spiel, gar nicht so oft gefordert wird von Bach. Für meine Begriffe ist es vor allen Dingen eine Frage des Klangs, weil die Gambe einfach ganz anders, für meine Begriffe in dieser Musik sehr viel schöner klingt als das Cello, und Bach hat ja mit den Cellosuiten die Cellisten reich bedacht, die müssen also eigentlich gar nicht in diesem Segment wildern.
WDR3 Tonart: Wir haben über die Gambe gesprochen, aber wenn man sich die CD anguckt, das CD-Cover und das Innenleben, dann sieht man vor allem ganz wunderschöne Tasteninstrumente. Zwei Instrumente sind da abgebildet, die von Sabine Bauer gespielt werden, mit bemalten Deckeln, wunderbar verziert. Was sind das für Instrumente?
And Richter: Das sind einmal ein grosses flämisches Cembalo, ein zweimanualiges nach Johannes Ruckers – Sabien Bauer lebt mit dem Cembalobauer Matthias Griewisch zusammen und kann deswegen natürlich aus dem vollem schöpfen was die Instrumente angeht – und das zweite Instrument ist eben ein Claviorganum, das ist die Kombination aus einem Cembalo und einer kleinen Truhenorgel, einem Orgelpositiv, und dieses Instrument setzt Sabine Bauer in der D-Dur-Sonate BWV 1028 ein, mit einem wirklich wunderbaren Effekt, [...] man bekommt eine ganz andere Klanglichkeit, die ganz wunderbar zu dem Ton der Gambe passt.
WDR3 Tonart: Nun sind diese beiden Musiker, die diese CD eingespielt haben, Rainer Zipperling und Sabine Bauer, ausgewiesene Experten der historischen Aifführungspraxis, außerdem musizieren sie schon seit vielen Jahren gemeinsam in der Camerata Köln - hört man das?
And Richter: Das hört man sehr, sehr gut. Ich habe diese Aufnahme ganz bewußt verglichen mit einigen anderen prominenten Gambisten, also mit Jordi Savall, der mit Ton Koopman die Sachen eingespielt hat, oder mit Hille Perl - die prominenten Stars der Szene - und ich muß wirklich sagen, diese Aufnahme kann sich da nicht nur gleichwertig einreihen, sondern ich finde, daß sie in puncto Zusammenspiel, in puncto kammermusikalischem Dialog die genannten Aufnahmen teilweise sogar übertrifft. Das hat sicher damit zu tun, daß das Label AEOLUS eine ganz vorzügliche Aufnahme vorgelegt hat unter technischen Aspekten, und die Verteilung der Instrumente, die Gewichtung der Instrumente, wie sie die Musiker optimal realisieren, hat auch diese Aufnahmetechnik sehr, sehr gut eingefangen.
Mit freundlicher Genehmigung des WDR, 2014.